- Der zervikale Bandscheibenersatz (Arthroplastik) zielt darauf ab, die Kompression zu lindern und die Nackenbeweglichkeit zu erhalten – im Gegensatz zur Fusion (ACDF).
- Nicht jeder ist geeignet: Die Auswahl hängt von Symptomen, Bildgebung, Ausrichtung und dem Zustand der Facettengelenke ab.
- Die typische Rückkehr zu Büroarbeit erfolgt nach 2–3 Wochen, zu einem aktiven Alltag ohne hohe Belastungen nach 4–6 Wochen, sofern es keine Zwischenfälle gibt.
- Wie bei jeder Operation bestehen Risiken (Dysphagie, Infektion, Implantatversagen), wenngleich aktuelle Evidenz bei passenden Kandidaten hohe Erfolgsraten zeigt.
Was ist der zervikale Bandscheibenersatz?
Dabei wird eine geschädigte Halsbandscheibe durch eine mobile Prothese ersetzt, die die Biomechanik der natürlichen Bandscheibe nachahmt. Ziel ist es, Nerven oder Rückenmark zu entlasten und die Beweglichkeit des operierten Segments zu erhalten. Im Unterschied zur Fusion (ACDF), die die Bewegung auf dieser Ebene aufhebt, erhält die Prothese einen nahezu physiologischen Bewegungsumfang.
Häufige Symptome und Indikationen
- Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in Schulter oder Arm, Kribbeln oder Schwäche durch Nervenwurzelkompression.
- Halssteife und axialer Schmerz, die sich trotz gut durchgeführter konservativer Therapie nicht bessern.
- In einigen Fällen Zeichen einer Rückenmarkbeteiligung (Myelopathie): Ungeschicklichkeit der Hände, Gangunsicherheit, veränderte Reflexe.
Eine Operation wird erwogen, wenn die Symptome nach Wochen/Monaten nichtoperativer Behandlung anhalten oder fortschreiten und wenn eine klare klinisch-radiologische Korrelation besteht.
Wie wird die Diagnose gesichert?
- MRT: erkennt Hernien, Osteophyten und neurale Kompression.
- Dynamische Röntgenaufnahmen: helfen, Ausrichtung und Stabilität zu beurteilen.
- Neurologische Untersuchung: Kraft, Sensibilität und Reflexe; Tests zu Geschicklichkeit und Gangbild.
In ausgewählten Fällen werden neurophysiologische Untersuchungen ergänzt. Die Diagnose beruht nicht auf einem einzelnen Test, sondern auf der „Konvergenz“ der Befunde und der funktionellen Beeinträchtigung.
Therapiealternativen
Nichtoperative Maßnahmen
- Aufklärung und Aktivitätsanpassung, Ergonomie und aktive Pausen.
- Medikamente (einfache Analgetika; Adjuvanzien bei neuropathischem Schmerz, stets unter ärztlicher Aufsicht).
- Physiotherapie mit Fokus auf motorischer Kontrolle und skapulozervikaler Kräftigung; stufenweise Übungen.
- Selektive diagnostische/therapeutische Infiltrationen in ausgewählten Fällen.
Operative Alternativen
- ACDF (Diskektomie und Fusion): zuverlässig zur Dekompression und Stabilisierung, jedoch mit Verlust der Bewegung auf der behandelten Ebene.
- Zervikaler Bandscheibenersatz: erhält die Beweglichkeit und kann die Überlastung angrenzender Ebenen bei geeigneten Patient:innen reduzieren.
Zu erwartende Vorteile gegenüber Risiken und Nebenwirkungen
Vorteile
- Linderung radikulärer Schmerzen und Wiedererlangen von Kraft/Sensibilität im Arm in den meisten Fällen.
- Erhalt der segmentalen Nackenbeweglichkeit.
- Geringere postoperative Steifigkeit und – bei passenden Profilen – raschere Rückkehr in den Alltag.
- Möglicherweise geringere Rate an Operationen wegen Degeneration angrenzender Segmente im mittleren Verlauf im Vergleich zur Fusion.
Risiken und Einschränkungen
- Allgemein: Blutung, Infektion, anästhesiologische Komplikationen.
- Spezifisch: vorübergehende Dysphagie und Dysphonie, seltene Nervenläsion, Fehlposition oder Verschleiß des Implantats, heterotope Ossifikation (kann die Beweglichkeit im Zeitverlauf einschränken).
- Eliminiert axialen Nackenschmerz nicht vollständig, wenn weitere Ursachen bestehen (z. B. Facettengelenkarthropathie).
Wer ist (und wer nicht) geeignet?
- Gute Kandidat:innen: Degeneration oder weiche Hernie über 1–2 Ebenen (einige Zentren in Europa erweitern auf 3), adäquate Ausrichtung, keine fortgeschrittene Facettenarthrose, keine ausgeprägte Instabilität oder Deformität.
- Häufige Kontraindikationen: segmentale Instabilität, ausgeprägte Osteoporose, schwere Facettenarthrose, ausgedehnte Ossifikation des hinteren Längsbandes, aktive Infektion, instabiles akutes Trauma.
Die Entscheidung wird individuell getroffen nach Prüfung der Anamnese, Bildgebung und Behandlungsziele.
Realistische Erwartungen und Erholungszeiten
- Schmerz und Schlucken: Schluckbeschwerden bessern sich meist innerhalb von Tagen bis Wochen.
- Beweglichkeit: frühzeitige sanfte Mobilisation; progressive Beweglichkeitszunahme über 6–12 Wochen.
- Arbeit: Bürotätigkeiten nach 2–3 Wochen; körperliche Arbeit ab 6 Wochen mit Steigerung und ärztlicher Freigabe.
- Sport: Ausdauer mit geringer Belastung nach 3–4 Wochen; geführtes Krafttraining ab 6–8 Wochen.
Die Zeiträume hängen vom individuellen Verlauf und von Begleiterkrankungen ab.
Wann in die Notaufnahme gehen
- Plötzlicher oder fortschreitender Kraftverlust in Arm oder Hand.
- Hohes Fieber mit starken Nackenschmerzen oder Rötung der Wunde.
- Atemnot oder Unfähigkeit, Flüssigkeiten zu schlucken.
- Zunehmende Schmerzen trotz Medikation oder neue neurologische Symptome.
Mythen und Fakten
- „Die Prothese ist in allen Fällen besser als eine Fusion.“ Fakt: überlegen nur bei passenden Profilen; die Auswahl ist entscheidend.
- „Mit einer Prothese gibt es keine Re-Operationen.“ Fakt: ein Restrisiko besteht, Studien zeigen jedoch bei korrekter Indikation niedrige Raten.
- „Ich bekomme die volle Beweglichkeit zurück.“ Fakt: die Bewegung bleibt erhalten, entspricht jedoch nicht immer der natürlichen.
Häufige Fragen
Hält die Prothese „für immer“?
Serien mit mittlerer bis langer Nachbeobachtung zeigen gute Ergebnisse; dennoch können heterotope Ossifikationen oder Verschleiß im Laufe der Jahre die Beweglichkeit einschränken und selten eine Revision erforderlich machen.
Können zwei Ebenen operiert werden?
In Europa ist dies in ausgewählten Fällen möglich; die Entscheidung hängt von Ihrer Anatomie, Ihren Symptomen und den Untersuchungen ab.
Ist es schmerzhafter als eine Fusion?
Postoperative Schmerzen sind in der Regel gut beherrschbar und die funktionelle Erholung ist zügig; sie variiert jedoch individuell.
Verhindert die Prothese die „Degeneration angrenzender Segmente“?
Sie kann die Wahrscheinlichkeit im Zeitverlauf verringern, jedoch nicht vollständig ausschließen.
Wann kann ich wieder Auto fahren?
Wenn Sie keine sedierenden Medikamente einnehmen und ausreichend Beweglichkeit/Schmerzfreiheit für eine sichere Reaktion haben – in der Regel nach 1–2 Wochen.
Was ist, wenn ich Ehlers-Danlos oder eine andere Bindegewebserkrankung habe?
Dies erfordert eine sehr sorgfältige Beurteilung; aus Stabilitätsgründen wird mitunter eine Fusion bevorzugt. Lassen Sie sich von einem erfahrenen Team beraten.
Glossar
- ACDF: anteriore zervikale Diskektomie und Fusion; stabilisiert zwei Wirbel, indem die Bewegung auf der Ebene aufgehoben wird.
- Zervikale Arthroplastik: Bandscheibenersatz mit einer mobilen Prothese zur Erhaltung der Beweglichkeit.
- Heterotope Ossifikation : Knochenneubildung um das Implantat, die die Beweglichkeit einschränken kann.
- Degeneration angrenzender Segmente: beschleunigte Abnutzung benachbarter Bandscheiben nach Bewegungsverlust in einem Segment.
Wenn Sie Behandlungsoptionen für Ihre Nackenschmerzen prüfen und eine Expertenmeinung wünschen, vereinbaren Sie eine medizinische Untersuchung bei einer Wirbelsäulenspezialistin/einem Wirbelsäulenspezialisten oder über akkreditierte Telemedizin-Dienste.
Referenzen
- Zervikaler Bandscheibenersatz – Fachgebiete (Informationsseite des Arztes). https://drgilete.com/de/spezialgebiete/zervixchirurgie/zervikaler-bandscheibenersatz/
- Chen CM u. a. Zervikale Diskusarthroplastik vs. ACDF (Übersicht 2024). https://www.mdpi.com/2077-0383/13/11/3203
- Huang WD u. a. Metaanalyse 2025 (CDA vs. ACDF). https://thejns.org/spine/view/journals/j-neurosurg-spine/42/6/article-p705.xml
- Badhiwala JH u. a. Operation am angrenzenden Segment nach 7 Jahren (2020). https://jss.amegroups.org/article/view/4881/html
- Instituto Clavel – Zervikale Arthroplastik (Allgemeininformation). https://www.institutoclavel.com/es/blog/artroplastia-cervical
- Spanischsprachige Enzyklopädie (BWH) – Zervikaler Bandscheibenersatz. https://healthlibrary.brighamandwomens.org/spanish/TestsProcedures/Neurological/135,6es
Dieser Artikel dient der Aufklärung und ersetzt keine individuelle ärztliche Beratung.