LWS-Bandscheibenersatz: Indikationen, Risiken, Erholung

Der Lendenwirbelscheibenersatz (totale Diskusarthroplastik) kann bei diskogenem Schmerz helfen und die Segmentbeweglichkeit erhalten – er ist jedoch nicht für alle geeignet. Hier finden Sie Indikationen, Ausschlusskriterien, Ablauf, tatsächliche Nutzen und Risiken, realistische Erholungszeiten und Warnzeichen. Enthält Checkliste und häufige Fragen.

 

Was ist der Lendenwirbelscheibenersatz (ADR)?

Dabei wird eine degenerierte Lendenbandscheibe durch eine Prothese ersetzt, die die Bewegung auf diesem Niveau möglichst erhält. Im Unterschied zur Fusion —die Bewegung aufhebt— soll die Arthroplastik eine natürlichere Biomechanik bewahren. Ziel ist nicht, „alle Rückenschmerzen zu heilen“, sondern diskogenen Schmerz zu lindern – nach gesicherter Diagnose und erfolgloser, gut durchgeführter konservativer Therapie.

 

Indikationen und wer in Frage kommt

  • Bestätigter diskogener Kreuzschmerz (passende Klinik und Bildgebung) nach mindestens 6 Monaten konsequenter konservativer Behandlung.
  • Ein Etagenlevel (gelegentlich zwei) ohne relevante Deformität.
  • Keine ausgeprägte knöcherne Instabilität/Stenose und keine radikuläre Kompression, die eine andere Technik erfordern würde.

Wichtig: Die sorgfältige Auswahl ist entscheidend; geeignete Patient:innen mit realistischen Erwartungen haben höhere Erfolgschancen.

 

Häufige Kontraindikationen

  • Ausgeprägte Facettengelenksarthrose oder insuffiziente hintere Elemente.
  • Deutliche zentrale oder foraminale Stenose, Spondylolyse/Spondylolisthesis.
  • Skoliose, Osteoporose, ausgeprägte Adipositas, aktive Infektion, vorangegangene Fusion auf dem Zielniveau.

 

Wie läuft die Operation ab?

Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose über einen vorderen Zugang mittels kleinem Unterbauchschnitt. Die erkrankte Bandscheibe wird entfernt, die Wirbelendplatten werden sorgfältig vorbereitet und die Prothese wird unter intraoperativer Bildgebung implantiert. Je nach Fall dauert der Eingriff meist 60–120 Minuten. Nach der OP gehören Frühmobilisation und multimodales Schmerzmanagement zu den aktuellen Standards.

 

Erwartete Vorteile gegenüber der Fusion

  • Erhalt der Segmentbeweglichkeit und potenzielle Verringerung der Belastung benachbarter Segmente.
  • Schnellere frühe Erholung bei manchen Betroffenen (weniger Schädigung der hinteren Muskulatur, da kein dorsaler Zugang).
  • Funktionelle Ergebnisse im mittleren Verlauf vergleichbar mit der Fusion bei geeigneter Auswahl.

Hinweis: Nicht jeder Rückenschmerz bessert sich durch ADR; Bewegungserhalt garantiert keine dauerhafte Beschwerdefreiheit.

 

Risiken und Nebenwirkungen (laut Evidenz)

  • Allgemeine Komplikationen: Blutung, Infektion, Thrombose, Narkoseereignisse.
  • Gefäß- oder Nervenverletzungen (selten) durch den vorderen Zugang.
  • Implantatprobleme: Fehlposition, Subsidenz, heterotope Ossifikation, anhaltender Schmerz oder Bedarf an Reoperation.
  • Spätere Umwandlung in eine Fusion, falls Verlauf oder Anatomie dies erfordern.

Gute Patient:innenauswahl, sorgfältige Technik und eine individuelle Rehabilitation senken Risiken und erhöhen die Zufriedenheit.

 

Diagnostik: wie wird diskogener Schmerz gesichert?

Die Entscheidung stützt sich nicht auf ein einzelnes Bild. Sie integriert Anamnese, Körperuntersuchung, Bildgebung (dynamische Röntgenaufnahmen, MRT) und in ausgewählten Fällen ergänzende Tests. Bei komplexen Begleiterkrankungen kann eine multidisziplinäre Beurteilung (Physiotherapie, Schmerzmedizin, Pharmakogenetik) helfen, den Therapieplan zu optimieren.

 

Therapiealternativen

Nicht operativ

  • Schmerzaufklärung und stufenweise Trainingstherapie (Motorik-Kontrolle, Kraft, Ausdauer).
  • Optimierung von Schlaf, Ergonomie und Reduktion begünstigender Faktoren (Rauchen, Inaktivität).
  • Individuelle medikamentöse Therapie; Pharmakogenetik erwägen, wenn sinnvoll.
  • Gezielte Injektionen/Radiofrequenzablation bei Facettengelenksschmerz (bei Indikation).

Operativ

  • Interkorporelle Fusion (bei Instabilität, Deformität oder Kontraindikationen gegen ADR).
  • Dekompression (Laminektomie/Foraminotomie), wenn die Nervenkompression das Hauptproblem ist.
  • Revisionschirurgie in ausgewählten Situationen nach Voroperationen.

 

Realistische Erholungszeiten

  • Erste 24–72 h: Schmerztherapie und Frühmobilisation.
  • Woche 1–2: tägliches Gehen, belastete Beuge/Rotation vermeiden; schrittweise Rückkehr zu leichten Tätigkeiten.
  • Woche 3–6: angeleitetes Training (Motorik, Rumpfstabilität); viele kehren zu leichter Schreibtischarbeit zurück.
  • Monat 3–6: steigende Belastung; Sport mit Stoßbelastung nur bei entsprechendem Verlauf und ärztlicher Freigabe.

Die Zeiträume variieren je nach Alter, operiertem Level, Fitness und Arbeitsanforderungen.

 

Wann in die Notaufnahme?

  • Anhaltend hohes Fieber und unverhältnismäßig starke Lendenschmerzen.
  • Plötzlicher Kraft- oder Gefühlsverlust in den Beinen.
  • Akute Harninkontinenz/-retention oder Reithosenanästhesie.
  • Brustschmerz, Luftnot, schmerzhafte Schwellung eines Beins (Zeichen für Thrombose/Embolie).

 

Mythen und Fakten

  • Mythos: „ADR heilt jeden Rückenschmerz.“
    Fakt: wirksam bei sorgfältig ausgewähltem diskogenem Schmerz; nicht jeder Schmerz ist diskal.
  • Mythos: „Immer besser als Fusion.“
    Fakt: abhängig von Anatomie, Facettengelenken, Stabilität und Zielen.
  • Mythos: „Wenn die Bewegung erhalten bleibt, gibt es später keine Probleme.“
    Fakt: heterotope Ossifikation oder Reoperationen sind möglich.

 

Häufige Fragen

Hilft der Lendenwirbelscheibenersatz bei Hernien mit Ischialgie?

Das ist nicht sein Hauptziel. Steht die Nervenentlastung im Vordergrund, kann zuerst eine Dekompression sinnvoll sein. ADR wird erwogen, wenn der Schmerz überwiegend diskogen ist und keine Kontraindikationen bestehen.

Wie lange hält eine Bandscheibenprothese?

Moderne Implantate sind für viele Jahre ausgelegt. Reoperationen können bei Verschleiß, Ossifikation oder mechanischen Problemen nötig werden, sind jedoch nicht die Regel.

Können mehrere Ebenen operiert werden?

Zwei Ebenen können in ausgewählten Fällen erwogen werden, die Komplexität steigt jedoch und es ist nicht immer ratsam. Die Entscheidung hängt von Anatomie und Symptomen ab.

Wann kann ich wieder Auto fahren oder arbeiten?

Autofahren: wenn Reaktionen schmerzfrei und ohne sedierende Medikamente möglich sind (häufig nach 2–4 Wochen). Arbeit: Büro 2–6 Wochen; körperliche Arbeit länger und stufenweise.

Verhindert ADR die Degeneration des Nachbarsegments?

Durch Bewegungserhalt kann die Belastung benachbarter Ebenen sinken, eine langfristige Degenerationsfreiheit wird jedoch nicht garantiert.

Und bei Facettengelenksarthrose?

Ausgeprägte Facettengelenksarthrose ist häufig eine Kontraindikation für ADR; andere Verfahren sind dann oft geeigneter.

 

Glossar

ADR: totaler Bandscheibenersatz (Diskusarthroplastik).
Fusion: dauerhafte knöcherne Verbindung von Wirbeln zur Stabilisierung.
Heterotope Ossifikation: Knochenneubildung um das Implantat, die Bewegung einschränken kann.
Subsidenz: Einsinken des Implantats in den Wirbelknochen.

 

Benötigen Sie eine Einschätzung?

Erkennen Sie sich hierin wieder und möchten wissen, ob ADR zu Ihnen passt? Vereinbaren Sie eine Beurteilung bei einer Wirbelsäulenspezialistin/einem Wirbelsäulenspezialisten. Ein strukturiertes Vorgehen (Klinik + Bildgebung + Rehaplan) ist der erste Schritt zu einer fundierten Entscheidung.

 

Literatur

  1. Lendenwirbelscheibenersatz (Informationsseite eines Spezialisten): 
    https://drgilete.com/de/spezialgebiete/lumbalchirurgie/lumbaler-bandscheibenvorfall/
  2. MedlinePlus (Gesundheitslexikon): Lendenwirbelscheibenersatz: https://medlineplus.gov/spanish/ency/article/007745.htm
  3. NICE IPG306 (Verfahrensempfehlung): https://www.nice.org.uk/guidance/ipg306
  4. Orthopedic Reviews 2024 (Metaanalyse LDR vs. Fusion): https://orthopedicreviews.openmedicalpublishing.org/article/116900-lumbar-disc-replacement-versus-interbody-fusion-meta-analysis-of-complications-and-clinical-outcomes
  5. PubMed 2018 (5-Jahres-Daten, TDR vs. Fusion): https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29977727/
  6. NASS 2024 (Richtlinie zu lumbaler ADR): https://www.premera.com/medicalpolicies-individual/7.01.589.pdf

 

Diese Inhalte dienen der Aufklärung und ersetzen keine individuelle ärztliche Beratung. Bei Unsicherheit oder akuten Beschwerden wenden Sie sich an Ihre Ärztin/Ihren Arzt oder an die Notaufnahme.

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